Was ein professionelles Korrektorat ausmacht

Diesen Satz (oder so ähnlich) bekomme ich immer wieder von Schreibenden mit, die ihr Buch veröffentlichen wollen. Klar, wer Deutsch unterrichtet, ist perfekt in Sachen Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung, also ideal geeignet, um ein Manuskript Korrektur zu lesen – ist doch wie ein langer Schulaufsatz! Wenn der- oder diejenige das dann auch noch ohne Bezahlung macht: Superschnapper!

Sollte man meinen. Ist es aber nicht unbedingt.

Bevor Sie jetzt weiterlesen, möchte ich eines klarstellen: Mir geht es nicht darum, Lehrkräften ihre Kompetenzen abzusprechen. Auf gar keinen Fall! Aber: Ein Deutschlehrer braucht nun mal andere Kompetenzen als eine Korrektorin. Die mögen sich überschneiden – aber der Schwerpunkt liegt ganz woanders. Sonst hätten die beiden Berufsfelder ja auch denselben Namen. 🤓

Also: Gehen wir mal davon aus, dass besagte Lehrkraft wirklich die aktuelle Rechtschreibung und Grammatik beherrscht. Aktuell heißt, auch die Änderungen vom Juli 2024. Spätestens, was die Zeichensetzung betrifft, werde ich persönlich misstrauisch. (Was teilweise den Deutschlehrkräften meiner beiden Kinder geschuldet ist: „Weil da eben eins hingehört“ ist keine adäquate Antwort auf die Frage, warum ein angeblich fehlendes Komma angestrichen wurde. Ups, ich schweife ab – zurück zum Thema.)

Aber gehen wir mal davon aus, dass die Lehrkraft, die das Manuskript korrigiert, auch die Komma- und andere Satzzeichenregeln kennt. Was dann noch bleibt, fragen Sie sich? Die Antwort: das „Unsichtbare“ –  die Feinheiten, die ein Buchkorrektorat von einer Schultextkorrektur unterscheiden. Das hat unter anderem damit zu tun, dass im Schulfach Deutsch (glücklichweise) das allermeiste noch mit der Hand geschrieben wird. Was bedeutet, dass man sich nicht mit Typografie auskennen muss.

Als erstes Beispiel seien die drei Punkte genannt, mit denen man fehlende Wörter oder Buchstaben kennzeichnet: „Das ist doch total …“

Weiß eine Deutschlehrerin oder ein Deutschlehrer, dass es sich bei diesen drei Punkten nicht um drei einzelne Punkte, sondern um ein eigenes Satzzeichen handelt? Was handschriftlich irrelevant ist, macht in gedrucktem Text nicht nur einen optischen Unterschied: Nach einem Punkt am Satzende darf das Schreibprogramm nämlich die Zeile umbrechen. Mitten im Dreipunkt nicht.

Weiß eine Lehrkraft, wann vor dem Dreipunkt eine Leerstelle stehen muss und wann nicht? Ist bekannt, dass diese Leerstelle als geschütztes Leerzeichen eingegeben werden muss, damit das Schreibprogramm nicht zwischen dem vorhergehenden Wort und dem Dreipunkt die Zeile umbricht? Und wie man dieses geschützte Leerzeichen ggf. so kennzeichnet, dass es beim Übertrag des Textes aus dem Schreib- ins Buchsatzprogramm nicht verlorengeht?

Ein Deutschlehrer weiß (hoffentlich), wo ein Apostroph hingehört und wo nicht –aber weiß er auch, wie ein typografisch korrekter Apostroph aussieht? Das wissen offenbar die wenigsten Menschen: In den Texten, die ich ins Lektorat bzw. Korrektorat bekomme, sind von den an den richtigen Stellen gesetzten Apostrophen etwa zwei Drittel falsch. (Ebenso auf Werbetafeln, in Zeitungsanzeigen und überhaupt … arrrgh.)

Merker: Ein korrekter Apostroph sieht etwa so aus wie eine 9: ’. Oben breiter als unten und von rechts oben nach links unten geneigt. Diese Zeichen hier : ‘´`'sind alles keine Apostrophe.

Noch so ein Punkt, der mich immer wieder nervt: Binde- und Gedankenstriche. Die Dinger heißen nicht nur unterschiedlich, die sehen auch unterschiedlich aus, sind unterschiedlich in den Text eingebunden und haben, Achtung, unterschiedliche Bedeutung!

All den Anmeldungen zu Klassenfahrten, Einladungen zu Elternabenden und so weiter nach zu urteilen, die ich von meinen Kindern vorgelegt bekomme und die allesamt von Lehrkräften verfasst wurden, weiß die überwiegende Mehrheit noch nicht mal, dass es da überhaupt einen Unterschied gibt. Geschweige denn, ob davor oder danach ein Leerzeichen gehört, ob das geschützt sein muss oder nicht und wie man Gedankenstrich und Komma korrekt kombiniert.

Aber gehen wir mal davon aus, dass all das oben Genannte bekannt ist. Dann gibt es immer noch den Punkt „Absätze“: also wo in belletristischen Texten ein Zeilenumbruch erfolgen soll und wo eine Leerzeile Sinn ergibt – und wo nicht. Richtig gesetzt, unterstützen sie das Leseverständnis und die Wirkung des Textes.

Übrigens, bitte als „harter“ Zeilenumbruch, nicht als „weicher“. Den mag der Buchsatz nämlich nicht.

Bleibt zuletzt noch ein bisschen Kleinkram: das Löschen doppelter Leerzeichen sowie Leerzeichen vor Absatzmarken, die Vereinheitlichung von Schreibweisen, um nur ein paar zu nennen.

Letztere beinhaltet auch im Manuskript verwendete Namen, denn Herr Schmitt ist schließlich nicht Herr Schmidt. Bonuspunkte, wenn außerdem darauf geachtet wird, ob eine Figur z. B immer „Äh“ oder „Ähm“ sagt.

Bei Reihen oder Serien sollte es bandübergreifend gleich sein.

Teilweise werden Aspekte hiervon bereits im Lektorat betrachtet: Gerade Feinheiten wie Zeilenumbrüche und Gedankenstrich vs. Doppelpunkt tragen zu Sinn und Lesbarkeit eines Textes bei.

Achtung: Das kann, muss aber nicht Teil des Lektorats sein! Der eine macht’s so, die andere so. Wieder einmal gilt also: Sprechen Sie miteinander. Damit beide Seiten wissen, was erwartet wird und was geleistet werden kann.

Punkt 1: Fehlerfreie Bücher gibt es nicht.

Ein Satz, der für uns Korrigierende sowohl Fluch als auch Segen ist. Denn glauben Sie mir: Jeder Fehler, den wir hinterher im fertigen Buch finden, tut weh. Auch wenn’s dazugehört.

Punkt 2: Ein sehr gutes Korrektorat findet 90–95 % aller Fehler.

Sprich, je besser die Textqualität vor dem Korrektorat, umso näher dran an fehlerfrei ist der Text hinterher. Es kann sich also durchaus lohnen, den Text vor Abgabe ans Korrektorat einer softwaregestützten Korrektur zu unterziehen. Kann, muss nicht: Wenn Sie selbst einigermaßen fit in Rechtschreibung & Co. sind und/oder wenn Ihre Lektorin bzw. Ihr Lektor im Stil-Lektorat diesbezüglich bereits einiges verbessert hat, sollte Ihre Text bereits eine gute Ausgangsqualität haben.

Korrekturlesen ist ein bisschen mehr als Tippfehler verbessern. Kann man alles lernen, weiß man aber als Deutschlehrkraft nicht automatisch. Und auch sonst nicht – deswegen haben wir professionellen Korrekturmenschen eine entsprechene Aus- bzw. Weiterbildung absolviert und Praxiserfahrung gesammelt!

Also bitte: keine Vorwürfen an Ihre Bekannte, wenn sie Dinge übersehen hat – und mehr Verständnis dafür, warum gute Korrigierende ihr Honorar wert sind. 🤓